Hans Leip: Tage- und Nächtebuch der Hamburger Puppenspiele
Hrsg. von Rüdiger Schütt, Edition Fliehkraft, 228 Seiten, 32,00 €
Die auf des Lebens Kuppen huppen
Sind nicht Pastoren noch Proleten
Das (sind) die Puppen und Poeten
Prost! Ex


Mit dieser Sentenz enden Hans Leips Aufzeichnungen über den Versuch, in Hamburg 1919 ein Puppentheater zu etablieren und damit “literarisch hohe Kunst, tolle Grotesken und politische Wochenschau“ darzubieten.
Hans Leip ist bis dato Lehrer im Schuldienst. Er hat literarische Ambitionen, ist gelegentlich eine Art Dichterreporter für unbedeutende Lokalzeitungen. Er kennt alle und jeden, doch keiner nimmt ihn als ernsthaften Dichter, der er vielleicht sogar ist, wirklich wahr. Da kommt die Idee der „Hamburger Puppenspiele“ von der seit einiger Zeit in Künstlerkreisen phantasiert wird, gerade recht. Leip wird schnell Kopf der Unternehmung.
Er führt ein „Tage und Nächtebuch der Hamburger Puppenspiele“ mit Notizen auf der einen Buchseite, flüchtigen Skizzen von Mitspielern, vermeintlichen Sponsoren und Spielfiguren auf der gegenüberliegenden Seite. Doch über das Hamburger Puppentheater, über seine Entstehungsgeschichte ist erstaunlich wenig zu erfahren, dafür um so mehr über die Boheme-Szene der 20-er in Hamburg, über ausschweifende Nächte, betrunkene Tage. Die Unternehmung scheitert 1922, nicht zuletzt an künstlerischer Disziplinlosigkeit und aus finanziellen Gründen.
Im Anhang blickt 1972 ein alter Hans Leip zurück auf die Hamburger Zeit. Doch auch hier verschwimmen die Erinnerungen in Anekdoten, vorwiegend aus dem Privatleben.
Wirklich sehenswert sind einige Farbabbildungen von Marionettenentwürfen, von Hans Leip 1919 mit Wasserfarben und Bleistift auf Packpapier festgehalten, und ein Titelbild zu dem vollständig abgedruckten, aber wohl niemals aufgeführtem Puppenspiel: „Der betrunkene Lebenskelch oder wider Willen ins Grab zurück“. Es ist ein unkomisches, in den Reimen höchst bemühtes Dramolett. Da reimt sich auf Paprika schon mal Hurrah und rechts einmal auf Laternenpfahl.
Apropos Laterne, „… vor dem großen Tor… Lili Marleen…“ Durchhalteschlager im zweiten Weltkrieg, viel gesungen, sogar verfilmt. Den Text hat schon 1915 Hans Leip geschrieben.

Norbert Schwarz, theater minimal
Puppen, Menschen & Objekte Nr.94/2006